Neubau im Paradies
Jedes Jahr wächst Berlin um rund 50.000 Einwohner. Den Bedarf an neuen Wohnungen kann die Stadt bei weitem nicht decken, das Defizit nimmt von Jahr zu Jahr zu.
Wohnfläche ist längst als kostbare Ware entdeckt worden, mit der sich Profit machen lässt. Das Ergebnis; rasant steigende Mieten und Verdrängung von Mietern aus dem gewohntem Umfeld.
Die Politik reagiert mit Mietpreisdeckelung und Auflagen an die etablierten Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften, bezahlbaren Wohnraum zu bauen. Nicht selten scheitert es an nicht vorhandenen Baugrundstücken, Anwohnerprotesten oder schlicht an Liquidität.
Die ABG Paradies in Berlin-Bohnsdorf besitzt sowohl Grundstück als auch eine Finanzierungszusage. Den dringenden Bedarf gibt es sowieso. Trotzdem dauert es mehr als anderthalb Jahre, bis die Baugenehmigung erteilt wird. Wie passt das zusammen?
Um einen möglichst reibungslosen Genehmigungsprozess zu ermöglichen, begannen wir bereits im März 2016, alle Voranfragen mit dem Stadtplanungsamt inhaltlich zu klären. Vor anderthalb Jahren wurde der Bauantrag gestellt. Allein am Beispiel der Grundflächenzahl (GRZ)- einem Versiegelungsgrad der vorgibt, wieviel Prozent des Grundstücks überbaut werden darf, wird deutlich, wie sich ein eigentlich positiv gedachtes Werkzeug der Stadtgestaltung verselbständigt hat und die Genehmigung behindert: Im Fall der Paradiesstrasse mussten dazu aufwendig, 2 Flurstücke miteinander „verschmolzen“ werden, nur um diesen abstrakten Berechnungsnachweis zu erbringen, obwohl es sich bei dem beantragten Neubau genau genommen um einen Wiederaufbau eines im 2. Weltkrieg zerstörten Ensembles handelt.
Die Heilung einer Kriegswunde fällt bei der Bewertung gestalterisch gar nicht mehr in die Waagschale, allein der rechnerische Nachweis zählt. Uns fehlen manchmal die Worte, wie sich die unterschiedlichen Ämter gegenseitig im Wege stehen und der Blick auf das Ganze verloren gegangen ist. Vielleicht nur beispielhaft die „Aufstellflächen der Feuerwehr“: Im Bearbeitungsprozess stellte sich heraus, dass dieselbe Paradiesstrasse für die Rettung von Personen aus den vorhandenen Häusern genügt, aber für einen Neubau 50 cm zu schmal für eine Zustimmung ist. Es bedarf einer Bordsteinabsenkung, dem das Strassen- und Grünflächenamt die Zustimmung verwehrt. Die mühsam errungene alternative Aufstellmöglichkeit für die Feuerwehr im Kreuzungsbereich bedeutet, dass der 65 jährige Götterbaum gefällt werden muss. Autos statt Bäume! Immer wieder erleben wir im laufendem Genehmigungsprozess absurde Pattsituationen, wo die einzelnen zu beteiligenden Behörden sich ausschließlich auf den eigenen Fachbereich beschränken, statt die Entscheidung dem übergeordneten Interesse, Wohnraum zu schaffen, unterzuordnen.
Gäbe es runde Tische, an dem sachbezogen alle Ressorts auf kurzem Wege eine einvernehmliche Lösung beschließen, liesse sich der Bearbeitungsprozess vermutlich von 12 Monaten auf 12 Tage abkürzen. Aber die gegenwärtige Personaldecke im Bauamt ermöglicht nicht einmal die beiden wöchentlichen Sprechtage. So entnimmt man dem Anrufbeantworter, dass von den beiden wöchentlichen Sprechtagen nur ausgewiesene Termine angeboten werden; und außerhalb dieser Zeitfenster weder e-mails noch Fragen beantwortet werden. Telefonische Auskünfte sind praktisch unmöglich, da an diesen wenigen Zeitfenstern die persönlichen Gespräche im Amt Vorrang haben. Die Lage des Grundstückes entscheidet leider über die Wahl des zuständigen Bezirksamtes. Wir können nur unser Bestes geben, Geduld und Einfühlungsvermögen nicht zu verlieren. Fast auf den Tag genau, seit dem letzten Bericht im Paradiesboten 2018 ist das Bauvorhaben in der Paradiesstrasse nunmehr genehmigt! Ab jetzt freuen wir uns auf die Bauphase ab kommenden Frühjahr!
Quelle: Paradiesbote 2019